Eine Sicherheitskupplung im XXL-Format

Die R+W Antriebselemente GmbH entwickelte für den Einbau in eine Windkrafttestanlage eine Sicherheitskupplung der Superlative.

Kupplungen finden ihren Einsatz in fast jeder Maschine. Natürlich gibt es daher die Komponenten in diversen Ausführung und Größen. Sicherheitskupplungen, zum Beispiel, gewährleisten den reibungslosen Betrieb eines Motors. Sie schützen Anlagen vor Überlastschäden, die letztlich teure Reparaturen nach sich ziehen und einen kompletten Stillstand verursachen können. Sicherheit geht vor – deswegen sind beim Einsatz von Sicherheitskupplungen Präzision und Expertenwissen gefordert!

Spezialprojekte, die die individuelle Anfertigung von Industrie- und Präzisionskupplungen beinhalten, gehören bei der R+W Antriebselemente GmbH zum Tagesgeschäft. Die hauseigene Entwicklungsabteilung ist erfahren und verfügt über das Know-how Anfragen aus Wirtschaft und Wissenschaft mit besonders heiklen, oftmals extremen Parametern zu bedienen. Darunter fallen so namhafte Projekte wie die Sicherheitskupplung für die Weltraumstation ISS oder die steckbare Metallbalgkupplung für die weltgrößte Maschine und den leistungsfähigsten Teilchenbeschleuniger, den Large Hadron Collider (LHC).

Extreme Anforderungsprofile machen erfinderisch

Ein besonderes Projekt wurde in diesem Sommer gehandelt – die derzeit größte Sicherheitskupplung der Welt, die STF 20.000 mit einem Gesamtgewicht von 21,5 Tonnen. In jeder Hinsicht extrem waren daher auch die Anforderungen. Der Auftrag entwickelte sich aus der Ausschreibung eines spanischen Kupplungsherstellers. Dieser baute seinerseits ein Transmissionselement für die zwei Sechs-Megawatt-Motoren einer neuen, dänischen Windkrafttestanlage. Den hierfür zusätzlich notwendigen Überlastschutz in Form einer Sicherheitskupplung mit manueller Einrastung musste allerdings ein spezialisierter Kooperationspartner beisteuern. R+W fühlte sich als einziger Hersteller dieser besonderen Ausschreibung gewachsen und konnte im Juli 2016 mit der Entwicklungsphase starten.

„Unser Lastenheft bestimmte die Kombination aus den enormen Lastzyklen des Windkraftbetriebs, den entsprechend hohen Kilonewtonmeter-Bereichen, die es zu bewältigen galt, und den baulichen Vorgaben der Spanier“, erklärt Rainer Benz, Technischer Leiter bei R+W. Konkret heißt das: ein Ausrückmoment zwischen 15.000 und 20.000 Kilonewtonmeter, für das die Sicherheitskupplung ausgelegt sein sollte. Im Regelfall werden im Sicherheitsbereich bis zu 2800 Newtonmeter erreicht – das entspricht dem 7000-Fachen des üblichen Werts. Der zu erzielende Außendurchmesser betrug vier Meter. Der Innendurchmesser der gigantischen Sicherheitskupplung sollte immerhin noch 70 Zentimeter betragen, bei einer Länge von 470 Millimetern. „Dennoch ist auch die STF 20.000 nach denselben Prinzipien wie alle unsere bewährten Industrie-Sicherheitskupplungen aufgebaut, nur in anderen Dimensionen als üblich“, erläutert Rainer Benz.

Sieben Monate für die Konzeption

Das R+W-Entwicklungsteam näherte sich der besonderen Aufgabe in sieben Monaten intensiver Konzeptionszeit zunächst mit der Erstellung eines 3D-Modells. Nach diesem virtuellen Prototyp konnte die gigantische Kupplung realisiert werden. Den ungewohnten physikalischen Parametern wurden die Ingenieure durch die Finite-Elemente-Methode Herr. Besonders akribisch wurde nach eventuellen Schwachstellen an der Kupplung gesucht, die sich bei herkömmlichem Gebrauch und üblicher Größe so nicht ergeben. „Die Gefahr von Verformungen oder Rissen aufgrund der extremen Beanspruchung in der Windkrafttestanlage haben wir genauestens geprüft. Davon hängt auch die langfristige Funktionssicherheit der Kupplung ab“, ergänzt Rainer Benz. Dementsprechend verstärkten die Konstrukteure die lokalisierten neuralgischen Punkte an der Kupplung, um Fehlern durch Verschleiß vorzubeugen.

Drei Wochen Großteilepuzzle

Als Sonderanfertigung wurden danach alle Teile der Kupplung einzeln geschmiedet. Auch hier war absolute Präzisionsarbeit gefragt, denn der nachfolgende, akribisch geplante Prozess des Zusammensetzens sollte keine noch so kleine Ungenauigkeit bei der Fluchtung eines Bohrpunkts verzeihen. Für die Montage der riesigen Sicherheitskupplung mietete das Projektteam eigens eine Halle im 50 Kilometer entfernten Mömbris bei Aschaffenburg an, die für den enormen Durchmesser der Sicherheitskupplung und die hierfür notwendige außergewöhnlich hohe Kranleistung ausgelegt war. Insgesamt drei Wochen nahm das Großteilepuzzle drei R+W-Mechaniker in Anspruch. Anstatt von allen Seiten die Teile zusammenzusetzen, wurden die Einzelkomponenten nur von einer Seite montiert: „Wir haben aus der technischen Notwendigkeit einfach eine Tugend gemacht und uns das Belegen einer Pizza zum Vorbild genommen. Einzelteil um Einzelteil wurde so am Grundgerüst festgesteckt – die ideale Vorgehensweise, wie sich herausgestellt hat“, resümiert Rainer Benz. Mit einem Zeitrafferfilm dokumentierte das Team zusätzlich den aufregenden Prozess.

Zur finalen Montage musste die STF 20.000 nach Andalusien verschickt werden – eine weitere logistische Herausforderung. Zu den 21,5 Tonnen Gewicht der Sicherheitskupplung kam das 3,5 Tonnen schwere Transportgestell und setzte so für die rund 1500 Kilometer lange Fahrt einen ebenerdigen Nulllader ohne Überbreite voraus. Da in Frankreich dennoch die Autobahnnutzung für Schwertransporte dieser Art ausgeschlossen ist, benötigte das Fahrerteam insgesamt drei Tage bis zum Bestimmungsort. Nach eingehenden Funktionstests erfolgte die Verschiffung zum Einbau in die Windradtestanlage in Dänemark, deren Motoren seither durch die derzeit größte Sicherungskupplung geschützt werden.

Pilotprojekt für weitere Hochleistungs-Sicherheitskupplungen

„Natürlich sind wir nach der erfolgreichen Realisation dieses Projekts stolz. Solche extremen Anforderungen meistert nur, wer tiefes Prozessverständnis im Unternehmen verankert hat und gleichzeitig querdenken kann“, fasst Rainer Benz zusammen. Bereits weitere Projekte im Kilonewtonmeter-Bereich sind die beste Bestätigung für das Entwicklerteam. Die Konzeption kann sich an der ersten Ausführung orientieren. Das frei anpassbare Interface sichert immer die Individualisierung auf das jeweilige Projekt und seine spezifischen Ansprüche.