Wie schaffen es Kupplungen in der Metallverarbeitung oder im Bergbau, Abschaltmomente von mehreren Millionen Newtonmetern zu bewältigen?
Heavy-Duty-Anwendungen stellen extreme Anforderungen an Kupplungen. Es gilt, sehr widrigen Umgebungsbedingungen zu widerstehen und enorme Kräfte zu übertragen. Dieser Beitrag gibt einen Überblick über Applikationen mit Abschaltdrehmomenten von bis zu mehreren Millionen Newtonmetern.
Was ist eigentlich eine Schwerlast- oder Industriekupplung?
Die DIN 740 zur Auslegung von Kupplungen unterscheidet keine Klassifizierung verschiedener Kupplungen. Es handelt sich um eine Eingruppierung, welche die Experten von R+W vornehmen, um Kupplungen mit enormen Drehmomenten, die unter widrigen Umgebungsbedingungen zum Einsatz kommen, von Präzisionskupplungen für Servoantriebs-Applikationen zu unterscheiden. Letztere finden sich beispielsweise in Abfüllanlagen oder der Fertigungsautomatisierung und somit in Anwendungen, die eine absolut spielfreie Drehmomentübertragung bei kompakten Abmessungen und geringem Gewicht voraussetzen, um das gewünschte Ergebnis zu erzielen. Christopher Monka, Senior Account Manager bei R+W, erläutert die Abgrenzung: „Im Gegensatz zu unseren wartungsfreien Präzisionskupplungen werden Schwerlast- bzw. Industriekupplungen meist in Verbindung mit Umrichter betriebenen (A-)Synchron-Großmotoren eingesetzt, die teils deutlich mehr als 1000 Newtonmeter Betriebsdrehmoment leisten.
In diesen Anwendungen stehen die Robustheit und Widerstandsfähigkeit an erster Stelle.“ Konkret fordern diese Schwerlastanwendungen eine Beständigkeit gegen extreme Temperaturen und aggressive Medien, ohne dass die Wirtschaftlichkeit darunter leidet.
Denn meist braucht es für die Produktion dieser Großkupplungen Spezialmaschinen und großes Knowhow. R+W verfügt als Spezialist für außergewöhnliche Anwendungen ab Losgröße 1 über die entsprechenden Produktions- und Fertigungsanlagen im Stammwerk in Wörth am Main. Doch in welchen Applikationen kommen diese robusten Kupplungen zum Einsatz?
Metallverarbeitende und -erzeugende Industrie
In Bandscheren zum Schneiden von Metall werden Zahnkupplungen mit sehr hoher Leistungsdichte eingesetzt. Sie können auf kleinstem Raum Drehmomente von mehreren Hunderttausend Newtonmetern übertragen. R+W bietet mit der Baureihe BZ1 eine flexible Zahnkupplung mit Passfederverbindung sowie mit der BZA eine längenvariable Zahnkupplung. Beide sind in Varianten verfügbar, die zwischen 1900 und 480000 Nm übertragen. Nachteile dieser torsionssteifen Zahnkupplungen finden sich im vergleichsweise hohen Wartungsbedarf und dem Zahnflankenspiel, das sie wenig geeignet für reversierende Antriebe macht. Rollgänge, die zur Beförderung von Stahlbrammen genutzt werden, stellen höchste Anforderungen an die Temperaturbeständigkeit sowie die Widerstandsfähigkeit gegen Schmutz und Vibrationen. Verdrehsteife Lamellenkupplungen mit Passfederverbindung wie die LP1 D von R+W oder die LP3 mit Konusklemmnabe haben sich in dieser Anwendung bewährt. Diese Kupplungen punkten neben ihrer Robustheit mit ihrer Montagefreundlichkeit und Leistungsdichte. Sie übertragen Drehmomente von 350 bis 50000 Nm.
Heavy-Duty-Metallbalgkupplungen finden sich beispielsweise in Drahtwalzwerk-Anwendungen. Sie spielen ihre Vorteile hinsichtlich torsionssteifer und spielfreier Kraftübertragung aus. Insbesondere die laterale Federsteifigkeit ist deutlich höher als die der Lamellenkupplungen. R+W führt für diese Applikationen beispielsweise die Metallbalgkupplung BX4 mit Passfederverbindung zur Übertragung von Drehmomenten von bis zu 100000 Nm.
Christopher Monka ergänzt: „In der metallverarbeitenden Industrie, speziell in Walzwerken, geht es zudem häufig um den Schutz vor Drehmomentspitzen. Hierbei kommen Überlastkupplungen zum Einsatz, die das Getriebe oder den Motor vor Schäden bewahren, falls beispielsweise Material falsch zugeführt wird. Hierfür haben sich Sicherheitskupplungen nach dem federvorgespannten Kugelrastprinzip bewährt. Diese haben wir ebenfalls bereits in Ausführungen gefertigt, die eine Übertragung von mehreren Hunderttausend Newtonmetern erlauben.“
Großprüfstände
R+W hat die größte Sicherheitskupplung der Welt entwickelt – für einen Windkraftanlagenprüfstand.
Bei diesem wird nicht nur das Getriebe geprüft, sondern die gesamte Gondel. Die Kupplung vom Typ ST1R agiert ebenfalls nach dem federvorgespannten Kugelrastprinzip, hat einen Durchmesser von mehr als 4 m und ein Abschaltmoment von 20 Mio. Nm. Aber auch für Windkraftgetriebe- und -systemprüfstände fertigt R+W passgenaue, smarte Lösungen, beispielsweise Kombinationen aus Sicherheits- und Lamellenkupplungen oder Sicherheitskupplungen mit integrierten Bremsscheiben. Industriegetriebeprüfstände rüstet R+W mit Sicherheitskupplungen aus, die mit den größten spielfreien Elastomerkupplungen am Markt kombiniert werden können. Diese Elastomerkupplungen agieren schwingungsdämpfend und gleichen somit die Versätze zwischen An- und Abtrieb optimal aus. Ein Beispiel hierfür ist die STE Kupplung, die Drehmomente von 200 bis 14000 Nm überträgt.
Baustoffproduktion und Mining
Kaum eine Industrie stellt so hohe Ansprüche an die Robustheit der Antriebskomponenten wie der Bergbau sowie die Zement- und Baustoffproduktion. Insbesondere in Brechern, Pressen oder Mühlen, die große Gesteinsbrocken zerkleinern, herrschen extrem widrige Umgebungsbedingungen – gleichzeitig wirken enorme Kräfte, um diesen Heavy-Duty-Job zu erledigen. R+W fertigt für diese Spezialmaschinen kundenspezifische Überlastkupplungen, die den Motor vor Beschädigung schützen, falls sich zu harte Stoffe in die Zerkleinerungsanlagen verirren sollten. In Tunnelbohrmaschinen sind Sicherheitskupplungen der STN Baureihe seit vielen Jahren erfolgreich im Einsatz. Sie setzen auf eine Konusklemmverbindung und schützen die einzelnen Bohrmeißel zuverlässig vor Überlast. Diese Anwendungsvielfalt zeigt, kein Projekt ist wie das andere, wie auch Christopher Monka betont: „Oftmals geht es um Losgröße 1 in extrem Dimensionen zur Übertragung von enorm hohen Drehmomenten. Wir sprechen hier von Anlagen, die extrem teuer sind. Somit übernehmen unsere Kupplungen als schützende Komponente des Antriebssystems eine zentrale Rolle. Sie stellen sicher, dass Getriebe- oder Motorschäden vermieden werden, die in diesen Anwendungen enorme wirtschaftliche Folgen hätten.“